Über Römer 8, 16–18 – Steffen Tuschling
Steffen Tuschling
19. Mai 2024
Predigt zu Pfingsten – Konfirmationsgottesdienst, Schlosskirche Köpenick
Der Geist selber bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden. Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. (Römer 8, 16-18)
Liebe Gemeinde und insbesondere: liebe Sarah, liebe Yasmina!
Gottes Kinder sein. Was für ein besonderes Bild. Irgendwie altertümlich. Und zugleich die Phantasie anregend.
Wie ist das, Gottes Kind zu sein? Mir kommen Bilder von einer großen, weiten Landschaft. Blumenwiese. Darüber weht ein Frühlingswind. Und in diese Landschaft springen welche hinein. Ich sehe ihre Freiheit. Ihre Haare wehen im Wind. Und irgendwie spüre ich auch mich da mitten drin. Spüre die Freiheit und den Wind.
Gottes Kind sein.
Wie das ist, ob ihr das seid, das merkt ihr dann schon, schreibt der Apostel Paulus den Christinnen und Christen in Rom. Sie sind eine junge Gemeinde, nicht als Christen geboren, nein, die meisten von ihnen sind es erst in den letzten Jahren geworden. Und sie haben viele Fragen. Zum Beispiel: Gibt es einen Unterschied zwischen dem „davor“ und „danach“? Leben wir nun irgendwie anders? Und darauf schreibt ihnen Paulus:
Der Geist bezeugt unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
Und gibt ihnen damit keine starren Regeln an, schickt sie in keinen engen Korridor. Sondern regt ihre Phantasie an. Und ihre Freiheit. Wie es Jesus auch mit den Menschen machte. Der hatte von Gottes unzerbrechbarer Liebe gesprochen. Der hatte Menschen berührt, die das schon lange nicht mehr erlebt hatten. Gott hält nach euch Ausschau, hat Jesus gesagt, wie ein guter Vater nach seinem verlorenen Sohn Ausschau hält! Gott nimmt ihn und euch in die Arme. Er hat euch als Schwestern und Brüder gemacht. Euch Freiheit geschenkt. Ihr seid seine Kinder. Kinder Gottes!
Und das schreibt nun Paulus nach Rom: Der Geist bezeugt unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
Und macht ihnen so eine Tür auf, zu einem Land der Freiheit, mit erfrischendem Wind.
Liebe Gemeinde, so sind wir Kinder unseres Vaters im Himmel. Dem kleinen Mathias haben wir es heute zugesagt, das Wasser der Taufe hat es symbolisiert.
Doch Sarah und Yasmina, die nehmen das heute bewusst an. Sagen ja zu ihrer Taufe.
Liebe Yasmina, liebe Sarah: Heute bekennt Ihr euch dazu, Gottes Kinder zu sein. Nicht einfach nur so auf diese Welt geworfen, sondern in einer Beziehung.
In einer Beziehung zu Gott, der der Urgrund der Welt ist. Er ist unsere Quelle.
In einer Beziehung zu Jesus Christus, in dem Gottes Liebe Mensch geworden ist. Mitten in dieser Welt. Mit allem, was ihn ausmachte, ist er dafür eingestanden. Sogar mit seinem Leben. Wir feiern das nachher im Abendmahl: Mein Leib, für euch gegeben. Mein Blut, für euch vergossen.
In einer Beziehung zum Heiligen Geist. Der Kraft Gottes, die lebendig macht. Mit ihr hat Gott einst einem Erdklumpen Lebensatem eingehaucht. Wir atmen ihn heute noch ein und aus, diesen Lebensatem Gottes, ganz vom Anfang.
Wisst ihr’s noch? Wir haben im Konfi-Unterricht davon gesprochen, dass in den Sprachen der Bibel dieser Geist weiblich ist. Hebräisch Ruach, griechisch Pneuma. Eine wehende Geistkraft, könnten wir übersetzen. Sie durchweht unsere Welt wie der Wind.
Der Geist bezeugt unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
Kind sein verändert sich. Niemand erlebt das deutlicher, als Ihr Jugendliche in der Pubertät – und eure Eltern! OmG. Oh my God, lautet mancher Stoßseufzer.
Ihr lasst die Kindheit hinter euch. Werdet immer erwachsener. Große Menschen. Kinder bleibt ihr zugleich. Bleiben wir alle doch immer. Kinder unserer Eltern. Kinder der Erde. Kinder Gottes.
Es gibt auch ein erwachsenes Kindsein. Mit Verantwortung. Mit Mut zu eigenen Schritten. Mit Entscheidungen, die ihr fällt. Mit Neuentdeckungen: Wow, das erlebe ich! Das bin ja ich! Und: Das bist ja Du! Mit Kribbeln im Bauch. Mit Liebe. Freundschaft. Und mit Einsamkeit. Mit Versuch. Und Irrtum. Auch mit Verlusten. Mit Trauer, die wir aushalten müssen. Und mit Weiterleben mit dem Schmerz – und den guten Erinnerungen.
Es gibt auch ein erwachsenes Kindischsein. Das all diese Realitäten ausblendet. Das so tut, als sei immer Traum, immer sportlich, immer Erfolg, immer alles Verbrauchen. Da kommen mir manchmal die Kinder größer vor, als wir Erwachsenen.
Nein. Paulus empfiehlt kein Kindischsein, sondern eine erwachsene Kindschaft. Er schreibt: Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden. Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.
Der Schmerz, das Leiden ist auch da. In diesem Leben. Das ist etwas, das müssen wir uns heute nicht ausmalen. Das kommt von selbst, wenn es kommt. Aber dann … können wir daran denken: Jesus hat diesen Kelch bis zum Grund ausgetrunken. Er war einsam. Er hatte Angst. Sie haben ihn sogar getötet. – Aber er lebt. Und das erbt ihr auch, sagt Paulus: Ostern. Liebe ist stärker als Gewalt. Gottes Leben ist stärker als sogar der Tod.
Das sind Worte, an die werdet Ihr Euch vielleicht in dem Moment erinnern, wo ihr sie braucht. Ich wünsche es Euch, dass solche Worte euch dann in den Arm nehmen und eure verletzte Seele streicheln.
Aber heute soll Leben sein und weiter Raum, Blumenwiese und frischer Wind im Gesicht. Den Gottes Geistkraft euch schenkt.
Neulich gehe ich mit ein paar Gefangenen über den Gefängnishof, ringsum hohe Mauern. Kräftige, warme Böen blasen hinein. Da springt und hüpft einer der Männer, kommt zu mir und sagt: Ich finde es so schön, wenn der Wind weht. Das macht mich so frei und lebendig.
Spannend, was er da für eine Wahrheit ausgesprochen hat, auf dem Gefängnishof.
Nicht wünsche ich euch den Gefängnishof, sondern das Land der Freiheit. Aber ich wünsche Euch diese Freude. Frei und lebendig springen und aufatmen. Kinder Gottes eben.
Dann werdet ihr sie spüren, Gottes Geistkraft. Im Herzen und im Atem. In der Liebe und Lebendigkeit. Im Wind, der euch und die Welt erfrischt.
Amen